Der Steigerwald

Der Steigerwald mit bis zu 500 Metern Höhe zählt zum bayerisch-fränkischen Teil der Mittelgebirge. Er liegt zwischen den Städten Kitzingen (Südwesten), Bamberg (Osten) und Schweinfurt (Nordwesten). Rotbuchenwälder prägen vor allem in den höheren Lagen das Aussehen des Steigerwalds. Weil er dünn besiedelt ist und keine großen Straßen hindurchführen, ist er ein Refugium für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Die Flusstäler, an den Rändern des Steigerwalds werden von Landwirten mit kleinen Betrieben genutzt. Daher wechseln sich in diesem Gebiet unterschiedlich strukturierte Waldstücke mit offenen Grasflächen ab und die Biologische Vielfalt ist sehr groß.

Das spiegelt sich auch im Anteil der Schutzgebiete wider. Rund die Hälfte des Gebiets ist Landschaftsschutzgebiet, an vielen Stellen sind diese sogar als kleinere Naturschutzgebiete ausgewiesen. Ein Teil des Steigerwalds sollte vor einigen Jahren als „UNESCO Weltnaturerbe Rotbuchenwälder“ nominiert werden und wäre dann besonders geschützt gewesen. Das scheiterte jedoch an der damaligen Kommunal- und Landesregierung.

Welche Schutzgebiete gibt es überhaupt?

Naturschutzgebiete sind besonders streng geschützte Gebiete, weil in ihnen seltene Tier- oder Pflanzenarten vorkommen oder weil sie wegen ihrer außergewöhnlichen Landschaft oder ihrer Schönheit einzigartig sind. In einem Naturschutzgebeit darf nichts zerstört, beschädigt oder verändert werden. Eine Bewirtschaftung ist nur eingeschränkt erlaubt und auch für das Betreten gibt es strenge Regeln (zum Beispiel nur auf ausgewiesenen Wegen oder nur zu bestimmten Jahreszeiten).

Landschaftsschutzgebiete sind meistens größere Gebiete, die in ihrem Erscheinungsbild erhalten bleiben sollen. Landwirtschaft und Forstwirtschaft sind hier erlaubt, auch sonst gibt es nur wenige Einschränkungen. Viele Landschaftsschutzgebiete dienen uns Menschen als Erholungsgebiete.

Naturparks bestehen meist aus mehreren Naturschutzgebieten und Landschaftsschutzgebieten. Es sind großräumige Kulturlandschaften, die durch die menschliche Nutzung entstanden sind und eine große Artenvielfalt aufweisen. In einem Naturpark kann die Natur großräumig und wirksam geschützt, aber auch genutzt werden, unter anderem durch umweltverträglichen Tourismus. Der größte Naturpark in Bayern ist das Altmühltal, weitere Naturparks sind die Ammergauer Alpen, der Bayerische Wald, der Frankenwald, der Bayerische Spessart und der Steigerwald.

Ein Nationalpark ist ein Sonderfall unter den Naturschutzgebieten. Es handelt sich dabei um großräumige Landschaften von nationaler Bedeutung, in die wir Menschen möglichst kaum oder gar nicht eingreifen. Hier soll sich die Natur in ihrer ganzen Vielfalt frei nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln. Nationalparks können nur von der Landesregierung zusammen mit den Bundesministerien ausgewiesen werden. In Bayern gibt es den Nationalpark Bayerischer Wald (der erste seiner Art in Deutschland vor über 50 Jahren) und den Nationalpark Berchtesgaden.

Falsche Forstpolitik

Die bisherige Forstwirtschaft nutzt die verbliebenen Rotbuchenbestände im Steigerwald sehr intensiv. Vor dem Hintergrund des Klimawandels können jedoch enorme Gefahren durch eine solche Bewirtschaftung entstehen: Die Waldökosysteme haben nicht mehr die Zeit, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen (Temperatur, Niederschlag, Boden). Die derzeitige Nutzung der Wälder durch Baumentnahme und Neupflanzung entspricht nicht der natürlichen Entwicklung.

In Deutschland gibt es über 60 verschiedene Rotbuchen-Gesellschaften, das heißt Lebensgemeinschaften von Rotbuchen und anderen Pflanzen-, aber auch Tierarten. In jeder von ihnen ist die Rotbuche zwar die vorherrschende Baumart, doch je nachdem wie der Boden beschaffen ist, wachsen hier unterschiedliche Pflanzen. Mitteleuropa wäre ohne den Einfluss des Menschen heute von großen Rotbuchenwäldern überzogen. Doch durch unsere Eingriffe ist der Bestand stark geschrumpft. Auf den 11 Millionen Hektar Waldfläche in Deutschland gibt es nur 0, 14 Millionen Hektar Rotbuchenwald, der über 160 Jahre alt ist. Das hängt damit zusammen, dass die Rotbuchen im Alter von 120 bis 140 Jahren geerntet werden. Normalerweise kann eine Rotbuche aber mehr als 300 Jahre alt werden. Solche alten Rotbuchen sind mittlerweile sehr selten, denn der Anteil von Buchenwäldern, die nicht genutzt werden, ist verschwindend gering. Es sind jedoch gerade diese nutzungsfreien Rotbuchenwälder, die die größte Artenvielfalt aufweisen.

Oft heißt es, dass Rotbuchenwälder artenarm sind, weil in den oftmals dunklen, beschatteten Wäldern nur wenige Blühpflanzen gedeihen. Wenn man aber die gesamte Fauna, also alle Tiere, im Boden und im Totholz betrachtet, so erkennt man, dass diese Wälder unglaublich artenreich sind. Der Anteil der alten Buchenwälder am Gesamtwald in Bayern liegt unter 2 Prozent. Damit sind sie sehr selten und besonders schützenswert. Deutschland nimmt seine weltweite Verantwortung für den Schutz dieser Wälder nicht wahr. Die bisherige Forstwirtschaft muss dringend angepasst werden.

Ein Ja zum Nationalpark Steigerwald

Unter natürlichen Bedingungen, über längere Zeiträume und ohne menschliche Eingriffe entstehen Wälder, die für uns Menschen als Vorbild für eine nachhaltige Waldwirtschaft dienen können. Alte Wälder sind Hotspots der Biodiversität, nicht zuletzt wegen ihres enormen Anteils an Totholz. Außerdem wirken sie als gigantische Kohlenstoffsenken, denn der Kohlenstoff wird in den Bäumen und im Boden gespeichert. Als Orte der Ruhe und Erholung  bieten sie einen Ausgleich zu unserer oft sehr hektischen, technisierten, digitalisierten Welt. Ihre Strukturvielfalt birgt unglaubliche Schönheit.

Mit einem Nationalpark Nördlicher Steigerwald, der sich frei und vom Menschen unbeeinträchtigt entwickelt, könnte ein Naturjuwel der oberfränkischen Landschaft mit bedeutenden Rotbuchenbeständen dauerhaft erhalten werden. Die Natur dürfte sich nach ihren eigenen Gesetzen verändern, dienatürliche Artenvielfalt und Rückzugsgebiete für wildlebende Pflanzen und Tiere wären hier geschützt. Mit der neuen Wildnis eines Nationalparks Nördlicher Steigerwald entstünde nicht nur ein Naturrefugium von landesweiter Bedeutung, sondern auch ein Ort, an dem man außergewöhnliche Naturerlebnisse möglich sind und Erkenntnisse über die Entwicklung von Wäldern im Klimawandel gewonnen werden können.

Dr. Oliver Thaßler