Es war ein düsterer Mittwochmorgen, als wir uns mit dem Ziel trafen, den Gewässerrandstreifen auf den Grund zu gehen. Der Himmel war wolkenverhangen und es regnete, doch mit Regenjacken und Gummistiefeln bewaffnet fuhren wir los. Kurz darauf waren wir am Ziel, nahe des Kauerlacher Weihers, nur eines fehlte: Gewässerrandstreifen. Grund hierfür ist, dass es in Bayern dazu keine gesetzliche Regelung gibt. Das bundesweit gültige Wasserhaushaltsgesetz lässt Abweichungen der Bundesländer zu. Dabei ist das Fehlen von vorgeschriebenen Regelungen auch eine Abweichung. Der Freistaat Bayern hält an der Freiwilligkeit fest, weiß Maximilian Sehr, Experte für Hochwasser und Biodiversität vom LBV. So sind die Landwirte nicht verpflichtet, den empfohlenen Abstand von fünf Metern zu einem Gewässer einzuhalten. Dies wird auch deutlich, wenn man die Zahlen betrachtet: „Von rund 85 km kartierter Strecke im Offenland [verfügen] nur rund 15 % der Fließgewässer über einen beidseitig vorhandenen Gewässerrandstreifen […]“ so Maximilian.
Da standen wir also neben einem überfluteten, brachliegenden Maisfeld. Von dem mit Wasser gefüllten Graben trennte das Feld nur ein schmaler, dünn bewachsener Grünstreifen – ein Albtraum für das ökologische System. Durch die fehlende Abgrenzung gibt es keinerlei Schutz vor Bodenerosion und die Bäche werden mit Schlamm gefüllt. Dies hat weitreichende Folgen: So kommt es durch den nährstoffreichen Boden nicht nur zu übermäßigem Algenwachstum, was die Lebensbedingungen für andere Lebewesen verschlechtert, sondern auch zur Verschlammung des Kiesbetts, das vor allem von Fischen und Krebsen benötigt wird. Die im Erdboden enthaltenen Stoffe werden im Wasser unter anderem zu Methan abgebaut, was sich wiederum auf das Klima auswirkt.
Als nächstes machten wir nahe einer Pferdekoppel halt, gegen dessen Eigentümer schon eine Anzeige wegen potentieller Wasserverschmutzung durch Pferdemist läuft. Auch dort sind keine Gewässerrandstreifen vorhanden und die Pferdekoppeln gehen direkt bis an den Rand des Baches. Diese Verfahrensweise ist typisch: Oft wird bei Grünflächen direkt bis zum Bach gemäht und gedüngt. Dadurch kann kein typisches Gehölz wie Esche oder andere Laubbäume Platz zum Wachsen finden. Dabei hätte dies gleich mehrere Vorteile: So dienen die Bäume zum einen dem Sonnenschutz und damit einer konstanteren Temperatur des Gewässers. Zum anderen liefern sie mit herabfallendem Laub auch Nährstoffe, die von den im Wasser lebenden Tieren benötigt werden. Des Weiteren dienen deren Wurzeln auch als Erosionsschutz und Lebensraum für Tiere und Pflanzen.
Die letzte Station war eine verbaute Quelle, die unter einem Acker liegt und durch eine Rohrverbindung „aus dem Weg“ geführt wird und ein paar Meter weiter in einem Teich endet – welch großartiger Lebensraum! Einen Kilometer weiter sah es nicht gerade rosiger aus: Durch Betonsegmente wurde hier jeglicher Rückzugsort für die dort lebenden Kleinlebewesen vernichtet. Doch nicht nur für die Tierwelt ist diese Situation von Nachteil, auch für den Menschen ergeben sich Probleme. Vor allem bei starkem Regen ist die Gefahr durch Hochwasser deutlich erhöht, da das Wasser schneller strömt und nicht durch natürliche Barrieren zurückgehalten wird.
Es gibt also Grund genug, Gewässerrandstreifen gesetzlich vorzuschreiben. Sollte es auch in Zukunft keinen Einsatz/keine gesetzliche Bestimmung für die Anlage von Gewässerrandstreifen geben, dann wird die Artenvielfalt in unseren Bächen nach und nach abnehmen, warnt Maximilian Sehr. Dank dieser Exkursion zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen in Franken und das entsprechende Hintergrundwissen, welches uns Maximilian Sehr vermittelte, haben wir nun einen anderen Blick auf die Wiesen und Felder, wenn wir unser Auge über die Landschaft streifen lassen.
Doch nicht nur das Fehlen von Gewässerrandstreifen birgt Probleme für unser Wasser: Deutschland wird aktuell wegen mangelndem Grundwasserschutz vor dem europäischen Gerichtshof verklagt. Wir haben erfahren, dass wir bereits seit 2012 den Höchstwert an Nitrat von 50 mg pro Liter überschreiten. Zu viel Düngung mit Gülle, Mist und Schlämmen aus den Biogasanlagen sind für die ansteigenden Nitratwerte im Grundwasser verantwortlich. Zwar ist Nitrat wichtig für das Pflanzenwachstum, doch nicht alles, was auf den Feldern und Äckern ausgebracht wird, kann auch von den Pflanzen aufgenommen werden. Die Auswirkungen von zu viel Düngung haben wir vor allem auf dem Acker über der zugeschütteten Quelle gesehen. Über einer Quelle ist das natürlich katastrophal und gibt sich damit die Krönung, dass die Quelle schon nach ein paar Metern in einen Teich fließt. Dort können sich Schlamm und die Reste des Düngers problemlos ansammeln und ablagern. So kommt es, dass bereits an 28% der Messstellen der Nitrat-Höchstwert überschritten wird, obwohl nachweisbar ist, dass Abbauprodukte von Nitrat (Nitrit) sehr schädlich sind, steigt der Anteil weiter. Nitrit kann Blausucht vor allem bei Säuglingen hervorrufen oder sogar krebserregend sein. Das bringt uns zu der Frage: Wollen wir uns wirklich dieser einfach vermeidbaren Gefahr aussetzen, nur weil Gülle, Mist und Schlämme auf den Äckern und Wiesen übermäßig entsorgt werden?
Am 15.02.2017 hat der Bundestag endlich eine Änderung der Düngeverordnung beschlossen, jedoch muss der Bundesrat noch seine Zustimmung erteilen. Darin wird festgelegt, dass das Düngerecht in Zukunft abhängig von regionalen Gegebenheiten ist. In Gebieten mit höheren Nitratwerten, darf weniger gedüngt werden als in Gebieten mit niedrigen Nitratwerten. Das ist ein erster, großer Erfolg, denn sollte es weitergehen wie bisher, könnte Deutschland durch die Klage eine Strafe in sechsstelliger Höhe pro Tag erwarten. Außerdem könnte der Wasserpreis durch das verunreinigte Grundwasser um bis zu 62% steigen! Wir können also nur hoffen, dass der Bundesrat seine Zustimmung zu der Verordnung gibt und damit die Details zum Düngen ausgearbeitet werden können und das möglichst bald!
Mit dem erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt hat sich in Bayern einiges verändert hinsichtlich des Naturschutzes. So gibt es nun auch hier vorgeschriebene Randstreifen für bestimmte Gewässer auf Grundstücken des Freistaats (siehe §5 Änderung des Bayerischen Wassergesetzes).
Der Nitrat-Streit mit der EU hingegen ist weiterhin im Gange. Zwar gibt es Pläne für strengere Düngeregeln, diese sind jedoch nicht ausreichend. Es sind weitere rechtliche Verpflichtungen und wissenschaftliche Belege von Nöten, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze mitteilt. Das drohende Vertragsverletzungsverfahren ist damit nach wie vor nicht abgewendet. Bis Ende September müssen die Ministerien entsprechend an die EU liefern. Sollte es zu einem Verfahren kommen, drohen Deutschland bis zu 900.000€ Strafe – pro Tag! (Details auf Tagesschau.de)