Was die Deutsche Bahn gut macht

Entspanntes Genießen der Aussicht mit Beinfreiheit, Tisch, die Möglichkeit aufzustehen, Onboard-Toilette, Restaurant – und all das, ohne selbst fahren zu müssen. Es hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Reisen wie in der Bahnwerbung. Doch wie bei fast allen Werbungen ist auch die der Deutschen Bahn mehr als realitätsfern.

Angefangen bei der Pünktlichkeit. 2019 waren nur 75,9 Prozent der Züge pünktlich – wobei ein Zug mit weniger als 6 Minuten Verspätung als pünktlich gilt. Das heißt, dass letztes Jahr 24,1 Prozent, also fast jeder 4. Zug, über 6 Minuten zu spät kamen. Komplett entfallene Züge werden in der Statistik nicht erfasst. Das Ziel der Bahn war eine Pünktlichkeit von 82 Prozent. Da kann man die Menschen schon verstehen, wenn sie lieber zum Auto greifen, das fährt meistens dann los, wenn man es will.

Zudem ist der Komfort in den Zügen der Deutschen Bahn meist ziemlich schlecht. Völlig überfüllte Züge, Internet, welches selbst im hintersten Tal von Österreich besser ist, verdreckte Toiletten – all das gehört leider häufig zu einer Zugfahrt mit der Deutschen Bahn. Man fühlt sich auch erst richtig angekommen, wenn im Zug bei 40 Grad Raumtemperatur mal wieder die Klimaanlage streikt, die Wagenreihung genau das Gegenteil vom Plan ist, die Vorräte im Bordbistro leer sind oder der Zug aufgrund einer technischen Störung nicht weiterfahren kann.

Und doch ließe sich vieles davon verkraften, wenn die Fahrt wenigstens preiswert wäre. Doch leider ist es oft, auch mit Bahncard, wenn überhaupt, nur unwesentlich billiger, als wenn man hin und zurück fliegen würde – mit wesentlich besserem Komfort, kürzerer Reisezeit und besserer Pünktlichkeit. Da kann man leider verstehen, warum selbst im Inland oft lieber zum Flugzeug gegriffen wird.

Übrigens macht die Bahn seit Jahren ihr Geld nicht mehr auf den Gleisen, sondern als weltweiter Logistikkonzern mit dem Transport von Fracht auf dem LKW. Wenn man dann noch hört, dass es sich für die Bahn lohnt, ihre Schienennetze solange verkommen zu lassen, bis sie grundsanierungsbedürftig sind, da dann der Bund einspringt, merkt man das eigentliche Problem der Bahn. Sie wurde durch jahrelanges Fehlmanagement kaputtgespart und vernachlässigt und muss dringend von Grund auf saniert werden.

Aber wenigstens hat es für einen Song von den WiseGuys gereicht.

Wir️Bahn

Wie man sieht, kann man viel an der Deutschen Bahn bemängeln, was auch häufig und gerne getan wird. Egal ob man eine Ausrede braucht, warum man zu spät ist, oder einem Comedian einfach keine neuen Witze mehr einfallen: Die Bahn muss herhalten. Deshalb ist es jetzt an der Zeit für eine Gegendarstellung – eine Liebeserklärung ans Bahnfahren.

Ganz abgesehen davon, dass die Bahn eine Klimaschützerin ist, fahren wir einfach gerne Bahn! Bahn fahren ist einfach unglaublich praktisch und entspannt. Man betritt den Zug, sucht sich einen Platz und dann kann man die komplette Zugfahrt tun, was man will: arbeiten (gut, das will man vielleicht nicht unbedingt…), lesen oder Filme schauen.

Diese Möglichkeiten stehen uns normalerweise zumindest beim Autofahren nicht unbedingt zur Verfügung. Und im Vergleich zum Autofahren schneidet die Bahn auch beim viel kritisierten und verspotteten Thema „Pünktlichkeit” ganz gut ab. Wenn man mit dem Auto fährt, nimmt man schließlich auch in Kauf, dass man in einen Stau gerät und eventuell eine halbe Stunde später ankommt. Und wenn man sich endlich durch den Stop-and-Go-Verkehr und die Baustellen gequält hat, ist man auch noch völlig entnervt, während man sich in der Bahn zwar auch ein bisschen ärgert, aber man dann eben noch Zeit hat, andere Dinge zu tun.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Bahn sind die hohen Kosten. Und es stimmt schon, wenn man ohne Bahncard übermorgen von München nach Berlin fahren will, muss man erst mal schlucken. Aber wenn man die Fahrt etwas im Voraus plant und sich vielleicht eine Bahncard zulegt (die für Jugendliche unter 27 recht günstig ist), ist diese Strecke für ca. 25 € zu haben.

Außerdem hat man, wenn der Zug im Fernverkehr mehr als eine Stunde Verspätung hat, einen Anspruch auf die Rücküberweisung eines Teils des Ticketpreises.

Zugfahren ist außerdem eine der sichersten Fortbewegungsmöglichkeiten überhaupt. Und falls die gefährliche Anfahrt zum Zug mal nicht ganz so gut geklappt hat, hält die Bahn auch immer ein Pflaster bereit. Wie soll man sie dafür nicht lieben?Luca Ernemann & Tobias Guggenmos