Schutz der Artenvielfalt in der Landwirtschaft

Im Frühjahr 2019 haben sich fast 2 Millionen Menschen für das Volksbegehren Rettet die Bienen eingesetzt. Mit Erfolg: Bereits im Sommer 2019 traten die Änderungen im neuen Bayerischen Naturschutzgesetz in Kraft. Es bildet die Grundlage dafür, dass sich zukünftig wieder mehr Biodiversität entfalten kann. Wie hängen Artenvielfalt und Landwirtschaft eigentlich zusammen?

Rechts sind Bäume, links sind Bäume – und dazwischen Zwischenräume…

Artenvielfalt ist nicht allein dadurch gewährleistet, dass eine Blumenwiese in hundert Farben erstrahlt. Grundsätzlich gilt: Extensive Ackerbewirtschaftung fördert die Artenvielfalt. Das bedeutet insbesondere, dass wenig Düngemittel und Pestizide eingesetzt werden. Außerdem werden Blüh- und Gewässerrandstreifen (Bild 1) und kleine (landwirtschaftlich ungenutzte) Bereiche sowie Hecken und Feldgehölze stehengelassen und der Boden schonend bearbeitet.

Weniger Pestizide

Artenvielfalt fördert die Selbstregulationsfähigkeit des Ökosystems. In einem intakten Ökosystem gibt es zum einen pflanzenfressende Arten, aber zum anderen muss es (damit es intakt bleibt) auch Tierarten geben, die sich von pflanzenfressenden Arten ernähren. Unter dem Einsatz von meist wenig spezifisch wirkenden Pestiziden hingegen leiden in der Regel nicht nur die zu bekämpfende Art, sondern auch deren Fressfeinde, da diese weniger Nahrung finden. LBV und NAJU setzten sich daher im Volksbegehren für ein Verbot von Pestiziden in Naturschutzgebieten, in Biotopen sowie ab 2022 auf Dauergrünland, also Wiesen und Weiden, ein.

Mehr Ökolandbau, weniger Dünger

Außerdem muss jetzt der Anteil des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30% gesteigert werden. Der Ökolandbau verzichtet auf viele gefährliche Pestizide und baut in der Fruchtfolge spezielle Pflanzen als Stickstoffquelle, welche die Düngung übernehmen, an. Dennoch sind bestimmte mineralische Dünger erlaubt.  Deswegen sollte der Düngereinsatz so weit wie möglich eingeschränkt und die flächengebundene Tierhaltung zum Standard gemacht werden. Das bedeutet, dass nur so viele Tiere gehalten werden, dass ihr Mist auf den Ackerflächen des eigenen Hofes ausgebracht werden kann. Um Wasser und Boden nicht zu belasten.

Kleine Maßnahmen, große Wirkung

Die ertragsorientierte Landwirtschaft beachtet die Bedürfnisse der in Feldern und auf Wiesen lebenden Tierarten häufig nicht. Die Bewirtschaftung ist nicht an die Entwicklungszyklen der einzelnen Arten und deren jahreszeitlich schwankenden Bedürfnisse wie Nahrung und Brutplatz angepasst, was ihnen das Überleben erschwert oder unmöglich macht. Dabei würden zum Teil kleine Maßnahmen reichen, um Wildtieren und Wildkräutern das Überleben zu sichern.

Durch eine spätere Einarbeitung der Ernterückstände in den Boden würde zum Beispiel mehr Nahrung für körnerfressende Vögel (etwa Finken, Lerchen, Kraniche und Gänse) während des Durchzugs oder der Überwinterung zur Verfügung stehen.

Felder, die häufig dicht mit hoch aufwachsenden Pflanzen bepflanzt sind, sind problematisch (Siehe Bild 4), denn dort können lichtbedürftige Pflanzen und wärmeliebende Insekten nicht überleben. Feldvögel und Hasen können sich auf der Suche nach Nahrung in der Vegetation schlecht bewegen, und die Sicht für nahrungssuchende Greifvögel ist eingeschränkt. Eine lückigere Saat ermöglicht hingegen die Ausbreitung von Ackerwildkräutern und die Nestanlage von Feldvögeln.

Gewässerschutz durch Randstreifen und Hecken

Übermäßige Düngung fördert nur die wenigen stickstofftoleranten Pflanzenarten wie beispielsweise Gräser. Werden Düngemittel in Gewässer eingeschwemmt, führen sie zu übermäßigem Algenwachstum. Sie kurbeln die Aktivität von Mikroorganismen an, welche zum Zersetzen der Biomasse dem Gewässer mehr Sauerstoff entziehen, als durch andere Organismen wieder erzeugt werden kann.   Infolgedessen „verfaulen“ Seen und Wasserlebewesen sterben ab (siehe Bild 5). Um Moore und Gewässer davor zu schützen, verbietet die Gesetzesänderung von 2019 die garten- oder ackerbauliche Nutzung in mind. fünf Meter breiten Streifen neben Gewässern. Hecken, Hochstauden- und Röhrichtstreifen dienen dazu, dass aus dem Acker ablaufende, belastete Wasser zurückzuhalten.

Schutz von Vögeln und Insekten

Ackersäume, Hecken, Kleingewässer, Brachflächen und unbefestigte Feldwege bieten darüber hinaus Schutz und Nistgelegenheiten sowie Nahrung für Feldvögel wie Grauammer, Hänfling und Feldlerche.

Wildbienen und Grabwespen bauen ihre Bodennester in Abbruchkanten von Böschungen. Mäusebussarde, Turmfalken, Schleiereulen und Rotmilane suchen auf Feldern und Wiesen nach Nahrung, nutzen z.T. aber Feldgehölze zur Brut oder zum Ausruhen. Auch der Neuntöter ist auf dichte Gebüsche und Säume neben Offenlandstrukturen als Jagdhabitat angewiesen.

Das heißt nicht, dass man die Natur nun vollkommen sich selbst überlassen sollte. Viele Arten haben sich an die Landwirtschaft angepasst und sind auf Bearbeitung durch den Menschen angewiesen. Das neue Gesetz verbietet, für diese Arten wichtige Strukturelemente wie Feldgehölze, Hecken, Natursteinmauern, natürliche Totholzansammlungen und Kleingewässer zu beeinträchtigen.

Verbindung von Lebensräumen

Erst im Verbundsystem, also durch die Verknüpfung verschiedener Strukturen und Lebensräume, entstehen geeignete Lebensbedingungen für bestimmte Arten. Diese werden jedoch oft von Straßen und Gewerbegebieten zerschnitten. Mit dem neuen Gesetz wird der Staat verpflichtet, zunächst zehn und später 13% der Landesfläche für einen Biotopverbund im Offenland zu schaffen (bis 2025 bzw. 2030).

Zum richtigen Zeitpunkt mähen

Und abschließend ist auch das richtige Timing entscheidend. Findet eine Mahd der Wiesen mitten in der Brutzeit statt, werden die Nester von Feldvögeln durch hocheffektive Maschinen häufig zerstört und Wildkräuter abgemäht, bevor sie Zeit haben, auszureifen und sich fortzupflanzen. Beides vermindert die Artenvielfalt. Das neue Gesetz legt für 10% der Wiesen einen späten Zeitpunkt der Mahd (15. Juni) fest, um den Lebewesen die benötigte Zeit zur Fortpflanzung zu verschaffen und damit neues Leben zu sichern.

Susanne Ebeling

Quellen und zusätzliche Materialien: https://naju-bayern.de/nf20#18