Wilde Vögel hautnah erleben

Wer schon einmal mit einer Gruppe Kinder unterwegs war, weiß vermutlich, dass es fast unmöglich ist, diese ruhig zu halten. Umso erstaunlicher ist nun die Szene, die sich uns bietet: Zwölf Jungen und Mädchen im Alter von neun bis 13 Jahren lauschen mucksmäuschenstill wissenschaftlichen Ausführungen und machen sich eifrig Notizen. Der Grund dafür: Sie sind Ornis.

Was ist ein Orni?

Im vergangenen Jahr hat die NAJU erstmals eine komplett neue Veranstaltungsreihe angeboten, nämlich die Vogelschutzcamps. An sechs Wochenenden über Frühjahr und Sommer verteilt haben sich Kinder und Jugendliche aus ganz Bayern getroffen um etwas über die faszinierenden Flugkünstler zu lernen. Die angehenden Vogelexperten haben wir liebevoll auf den Namen „Ornis“ (von Ornithologie z. dt. Vogelkunde) getauft.

Erwartungen und Wünsche

„Was erwartet ihr euch von dem Wochenende?“ fragen wir als Betreuer die Teilnehmer zu Beginn des Wochenendes Wilde Vögel hautnah erleben.

„Mein größter Wunsch ist, dass jemand mit mir rausgeht und mir alle Vögel zeigt, die er kennt.“ verrät ein Teilnehmer. Der Zehnjährige hat bereits beeindruckendes Fachwissen, kennt die gängigsten Vogelarten bei ihrem lateinischen Namen und schießt Vogelbilder, die sogar bei den Experten der LBV-Kreisgruppe Aufsehen erregen. Sein Wunsch wird am Tag darauf erfüllt, doch den Freitagabend verbringen wir zunächst mit einer Führung durch die Vogelauffangstation in Regenstauf, wo hauptsächlich verletzte Greifvögel gepflegt werden.

Vorsicht, scharfe Schnäbel!

In der Station erwartet uns neben Sigrid vom LBV, die uns das ganze Wochenende nicht nur mit ihrem Fachwissen tatkräftig zur Seite steht, auch Ferdinand, der Leiter der Station. Bei einem spannenden Rundgang haben wir tatsächlich die Möglichkeit, die scheuen Tiere hautnah zu erleben. Ferdinand holt respektvoll, aber ohne Angst einige seiner Schützlinge aus ihren Käfigen, um uns die Eigenschaften verschiedener Greifvögel in natura zu zeigen.

Wer entdeckt den Wespenbussard?

Am nächsten Tag machen wir uns mit dem Vogelexperten Hermann auf den Weg ins nahe gelegene Charlottenhofer Weihergebiet. Dort hoffen wir, neben einigen Singvögeln auch ein paar ihrer großen Verwandten sehen zu können. Wir haben Glück: Wir können einige echte Raritäten entdecken, so zieht zum Beispiel ein Wespenbussard seine Kreise über dem Weiher. Das absolute Highlight ist aber ein Fischadler, den wir am See bei der Jagd beobachten.

Später verbringen wir unsere Mittagspause auf einer Wiese am Waldrand. Das mittägliche Fußballspiel wird jedoch abermals von einem Vogel unterbrochen: „Da kommt der Seeadler!“ ruft Hermann. Prompt sind Spielstand und Eckballstatistik vergessen, alle sprinten zu ihren Ferngläsern. Keine Sekunde zu früh – nur eine Runde fliegt der Vogel über die Wiese, dann ist er wieder verschwunden.

Wer singt denn da?

Nach dem Essen schlagen wir uns wieder ins Gebüsch. In einem naturbelassenen Wald leben viele Singvogelarten. Und obwohl man die kleinen Piepser im dichten Grün des Waldes kaum entdecken kann, wollen wir versuchen, die Vögelchen anhand ihres Gesangs zu bestimmen. Doch diesmal ist uns Fortuna weniger gesonnen. Vermutlich ist unsere Gruppe zu laut, denn außer ein paar Spatzen hören wir kaum etwas. Doch der Tag war ohnehin ereignisreich genug und so überlassen wir den Ornis den restlichen Nachmittag zur freien Verfügung. Wer noch nicht genug hat, kann abends noch an einer Nachtwanderung der LBV-Kreisgruppe teilnehmen. Hier kommen wir noch einmal ganz auf unsere Kosten, denn im Gegensatz zu den tagaktiven Vögeln singen die Nachtigallen was das Zeug hält.

Abschied

Am letzten Morgen werden wir noch kreativ: Mit Schablonen bedrucken wir uns unsere eigenen Orni-Shirts und verzieren unsere Beobachtungsbücher mit Aufklebern. Eine erlebnisreiche Geocaching-Tour später ist die Zeit des Abschieds gekommen, doch die Teilnehmer nehmen nicht nur Fachwissen und viele Eindrücke mit nach Hause, sondern auch ein paar neue Freunde und die Gewissheit, dass es noch andere junge Leute gibt, die sich für Vögel interessieren. Andere Ornis eben.

Von Margarete Drexler - 1. Juni 2017