Waaruuum? – Segeln mit der NAJU

„Warum sind wir nochmal mitgekommen?“ keucht ein Mitsegler unter der Jacke, die er sich um den Kopf gewickelt hat zum Schutz vor dem Flugsand. Mit gutem Grund. Es fühlt sich an, als flöge einem der halbe Strand von Terschelling um die Ohren. Wir laufen über lockeren Sand. Bei jedem Schritt rutscht man gefühlt zwei zurück. Dazu kommt der Wind, der uns entgegenschlägt, es wurde Orkanwarnung gegeben. Das hat dann auch unseren sonst sehr risikofreudigen Skipper bewogen, den Tag nicht zu segeln, sondern auf Terschelling zu verweilen und eine Strandwanderung zu machen. Ganz gemütlich, so zwei, drei Stunden. Wer wie ich schon öfter beim Segeln dabei war, weiß, was sich Gerard unter einer „gemütlichen Wanderung von zwei Stunden“ vorstellt und wundert sich nicht im Geringsten darüber, dass wir uns vier Stunden später noch immer über den Strand schleppen. Was erneut die Frage aufwirft, warum man überhaupt mitgekommen ist, zu dieser Wanderung, zum Segeln, und überhaupt.

Bild: Paula Lerchbaumer

Zum Glück fällt es uns selbst unter dem stetigen Bombardement der scharfkantigen Sandkörner nicht allzu schwer, darauf Antworten zu finden. Eine Seereise! Das bedeutet Abenteuer! Und Freiheit! Denkt man sich zumindest immer, wenn man romantisch veranlagt ist. An Abenteuern besteht dieses Jahr allerdings tatsächlich kein Mangel. Zu denen zählt nämlich nicht nur Wandern bei Orkan, sondern auch Nachtsegeln, Wattwandern unter den neugierigen Blicken einer Horde Kegelrobben, und Kochen bei 35 Grad Schieflage. Letzteres ist wirklich sehr abenteuerlich, da einem bei einer solchen Aktion zwangsläufig Mitsegler, Geschirr und Töpfe mit Chili con carne um die Ohren fliegen, die es in Teamarbeit festzuhalten gilt.

Bild: Paula Lerchbaumer

 Überhaupt sind diese netten Menschen, die einem an Deck immer über den Weg laufen, ebenfalls ein guter Grund, mit der NAJU zu segeln. Um nachzuvollziehen, wie viele anhaltende Freundschaften schon beim Segeln geschlossen wurden, muss man nur beobachten, wie langjährige Segelveteranen sich unter Deck abmühen, Briefe und Postkarten an alle befreundeten Ehemaligen fertigzustellen. Auch dieses Jahr finden sich lauter freundliche (und verrückte) Individuen an Bord wieder, weswegen es nicht verwundern sollte, wenn man mit im Wind wehenden „Brusthaar-Toupets“ oder perfekt imitiertem Möwengekreisch konfrontiert wird.

Bild: Paula Lerchbaumer

Der einleuchtendste Vorzug des Segeltörns ist natürlich, dass gesegelt wird, so banal das auch klingen mag. Dieses Jahr sind einige Segler schon am ersten Abend, bei der Überfahrt von Harlingen nach Terschelling, völlig hin und weg, starren verzückt zu den im Wind flatternden Segeln hinauf und versichern, baldmöglichst einen Segelschein machen zu wollen. Wie auch die Autorin dieses Artikels aus leidvoller Erfahrung zu berichten weiß, wirkt Segeln auf manche Menschen massiv suchterzeugend. Was dann dazu führt, dass man spätestens zwei Wochen nach dem Segeltörn wieder mit einer Jolle auf dem nächsten Baggersee im Kreis schippert und vom Wattenmeer träumt. Auch das ist nämlich ein klarer Vorteil des Segeltörns: Die reizvollen Küsten der Niederlande und Norddeutschlands können aus einer neuen Perspektive erkundet werden, (fast) jeden Tag ist man in einem anderen Hafen. Dieses Jahr vor allem im Ijsselmeer: Nach dem Ausflug nach Terschelling fuhren wir Hoorn und Makkum an, auf dem Rückweg gab es noch einen Abstecher nach Schiermonnikoog. Dünenwandern, Städte gucken, Sonnenuntergang beobachten oder andere landgebundene Tätigkeiten bringen Abwechslung in die Segeltage. Und bei vernünftigem Wetter ist auch Terschelling eigentlich ganz schön, wie man ob der Sandkörner zähneknirschend zugibt. Nebenbei können wir auch Tiere beobachten: Neben den bereits genannten Kegelrobben vor allem verschiedene Vögel, wie die Zwergseeschwalbe, die uns eines Morgens beehrte. Beim Trockenfallen südlich von Vlieland findet sich auch allerhand Kleingetier am Meeresboden, aber leider viel zu wenig Herzmuscheln zum Abendessen…

Bild: Paula Lerchbaumer

All diese guten Gründe verdrängen wir während der Wanderung etwas – aber kaum, dass wir wieder am Schiff sind, heiße Schokolade trinken, die Sonne über dem Hafen untergehen sehen und unsere Schlafsäcke für eine Nacht unter den Sternen herausholen, freuen wir uns doch, mitgekommen zu sein. Zum Segeln, zur Strandwanderung, und überhaupt.

Bild: Paula Lerchbaumer
Von Paula Lerchbaumer - 16. Oktober 2019