Zebras

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»Was, wenn überhaupt etwas, ist ein Zebra« ist der Titel eines Essays von Stephen Gould. Schwierig zu beantworten macht diese Frage, dass es nicht eine Art Zebra gibt. Vielmehr gibt es drei Pferdearten (eine vierte ist ausgestorben) mit Streifen, die landläufig als Zebras bezeichnet werden; eine Definition, der wir uns hier anschließen wollen. Es ist anzunehmen, dass die einzelnen Arten untereinander nicht näher verwandt sind, als zu den übrigen Arten der Pferde.

Warum haben Zebras eigentlich Streifen? Wenn man von der Evolutionstheorie ausgeht, gibt es drei mögliche Antworten. Zum einen könnte es ein Vorteil sein, Streifen zu haben. Ein häufiges Argument dafür ist die bessere Tarnung der Zebras durch Streifen. Allerdings erklärt dies nicht unbdingt, warum es zu Streifen gekommen ist. Schließlich entstehen Veränderungen durch Evolution sehr kleinschrittig und über sehr lange Zeit. Warum sollten außerdem gleich mehrere Arten diesen gleichen zufälligen Weg gegangen sein? Und wie soll »ein bisschen mehr Streifen« einen Vorteil dargestellt haben, geschweige denn aussehen?

Die zweite Antwort wäre, dass einmal alle Pferdearten Streifen hatten. Die Streifen aber einen Nachteil darstellten, weshalb die Pferde, bis auf die Zebras, ihre Streifen verloren. Es bleiben aber dieselben Fragen wie bei der vorhergehenden Hypothese.

Drittens könnte es sein, dass die Streifen (zumindest zunächst) kein Selektionsmerkmal darstellten. Es gibt schließlich auch andere Entwicklungen, die nicht durch Selektionsvorteile begründbar sind. Welchen Vorteil soll etwa eine Giraffe von ihren Flecken haben? Macht doch allein ihre Größe eine Tarnung äußerst schwierig. Ein anderes Beispiel wäre die menschliche Behaarung: worin besteht der Vorteil, dass wir die Haare genau dort haben wo wir sie haben?

Ist das Muster vererbt?

Es ist offensichtlich, dass das Zebramuster durch Vererbung weitergegeben wird. Folglich muss die Fellzeichnung des Tieres im Bauplan des Zebras – der DNA – hinterlegt sein. Überlegen wir uns, wie wir die Fellzeichnung in die DNA eines Zebras codieren würden. Die trivialste Lösung wäre sicherlich, das Muster in Form einer »Grafikdatei« abzulegen. Doch ist diese Lösung wenig befriedigend. Wegen der geringen Fehlerquote bei der Reproduktion der DNA müssten alle Tiere gleich aussehen. Und zwar exakt gleich. Tatsächlich aber unterscheiden sich die Muster der einzelnen Tiere so weit, dass man ein einziges Individuum anhand seiner Streifen identifizieren kann. Zudem ist im Lichte der Darwin’schen Evolutionstheorie nur schwerlich vorstellbar, wie eine solche »Grafikdatei« in kleinen Schritten durch natürliche Selektion entstanden sein kann. Und das bei mehreren Arten.

Wenn es mit der »Grafikdatei« nicht klappt, muss es einen anderen Mechanismus geben, der das Muster erzeugt. Vielleicht kann uns die Wissenschaft der Muster, namentlich der Mathematik, eine Antwort geben? Und tatsächlich haben Mathematiker Mechanismen konstruiert, die solche Muster wie die Zebrastreifen erzeugen.

Stimmt die Chemie wird’s Schwarz und Weiß

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Zur Lösung des Zebra-Muster-Problems wurden eine Vielzahl von Theorien aufgestellt. Viele davon gehen auf eine Überlegung von Alan Turing, der allgemein als Vorvater der Computerwissenschaften bekannt sein dürfte, zurück. Nach diesem Gedanken (Turing-Meachnismus genannt) diffundieren zweierlei Stoffe durch den Körper des Embryos (die Bildung der Fellzeichnung während der embryonalen Phase ist empirisch belegt). Der eine – nennen wir in Aktivator – regt die Bildung von Melanin an; jenem Farbstoff also, der für ein schwarzes Fell sorgt. Der andere – der Inhibitor – erreicht genau das Gegenteil. Ob also an einer bestimmten Stelle schwarzes oder weißes Fell entsteht ist von der Menge der dort befindlichen beiden Stoffe abhängig. Dabei ist der Aktivator stärker, als sein Kontrahent. Dies bedeutet: wenn an einer Stelle mindestens w_1-mal (w_1 >1) Inhibitor zu finden ist, wie Aktivator, wird die Stelle weiß, sonst schwarz. Quasi als Ausgleich dafür, dass der Aktivator stärker ist, diffundiert der Inhibitor schneller durch den Körper.

Eines der Modelle auf dieser Grundlage stammt von dem Biomathematiker James Murray. Die Simulation seines Modells zeigt, dass nach diesem Prinzip tatsächlich Zebrastreifen entstehen können. Ändert man einen Parameter, so zeigt die Simulation, dass nach genau dem selben Modell Muster wie auf Tigern, Geparden, Giraffen und den anderen Säugetieren entstehen können. Der geänderte Parameter – und das ist beachtenswert – ist die Form der zu bemusternden Fläche.

Und alle Katzen haben Ringelschwänze

Ist die Fläche recht klein, wie bei kleinen Tieren, so sind die Tiere meist einfarbig. Dies geschieht auch, wenn die Tiere wieder eine gewisse Größe übersteigen. Trifft Murrays Modell auch in der Wirklichkeit zu, so würde das zudem erklären, warum die Schwänze von Katzen am Ende alle geringelt sind. Nur beim Leoparden gehen die Punkte fast bis zur Spitze. Es zeigt sich, dass der Schwanz von Leopardenembryos, im Gegensatz zu anderen Katzen, vergleichsweise kurz und spitzkeglig ist. Wenn nun die Fellzeichnung tatsächlich von der Form des Embryos abhängt, könnte es auch tatsächlich sein, dass die Fellzeichnung, zumindest in einigen Fällen, ein Nebenprodukt der Evolution ist und selber nicht durch Selektion entstanden ist.

Murrays Modell könnte also einiges erklären. Diese Indizien alleine reicht aber nicht aus, um sagen zu können, dass die Welt eben so funktioniert. Es gibt neben Murrays auch noch weitere Modelle, die gute Ergebnisse liefern. Es gibt sogar gute Modell, die einen anderen Grundgedanken als den von Turing verfolgen. Schlussendlich muss jede Theorie ihre Tests in der Praxis bestehen.

Abschließend noch eine etwas provokante Frage zum weiterdenken: Sind Zebras eigentlich schwarze Tiere mit weißen Streifen oder weiße Tiere mit schwarzen Streifen?