Der Tagesrhythmus der Natur

Wer steht wann auf?

Schlaftrunken werfe ich einen Blick auf meinen Wecker: 5:30 Uhr. Puuuh, ist das noch früh! Da kann ich ja noch mal weiterschlafen. Draußen ist eh noch nichts los. Noch nichts los? Weit gefehlt! Als ob sie meine Gedanken Lügen strafen möchte, fängt direkt vor meinem Fenster eine Amsel lautstark zu singen an. An Schlaf ist erst einmal nicht mehr zu denken.

Morgenstund’ hat Gold im Mund
Dabei hab’ ich noch Glück, denn es ist ja schon September. Im Frühjahr melden sich manche Vögel schon weit vor Sonnenaufgang zu Wort. Am frühesten steht dann der Gartenrotschwanz auf. Er fängt schon gut anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang an, mit seinem Gesang Konkurrenten klar zu machen: “Das ist mein Revier, hier hast du nichts zu suchen!” Nach und nach stimmen dann die anderen Vögel in das Morgenkonzert mit ein. Die Amsel beispielsweise oder der Buchfink. Der Star dagegen ist ein Langschläfer, ihn hört man erst kurz nach Sonnenaufgang.

Von den ersten bis zu den letzten Sonnenstrahlen
Langsam werden auch andere Tiere munter, wie zum Beispiel das Eichhörnchen. Das Reh beginnt auch wieder zu äsen, allerdings kann man nicht sagen, dass es jetzt erst „aufgestanden“ ist. Es begibt sich im Laufe von 24 Stunden rund 7-12 mal zum Fressen. Dazwischen ruht es immer wieder. Eidechsen dagegen sind wechselwarm und müssen – wie alle unsere heimischen Reptilien – eine bestimmte Körpertemperatur erreichen, um sich bewegen zu können. Sie sind also nur tagsüber aktiv. Auch den Insekten tut die Wärme gut. Um die Mittagszeit, wenn unsere Singvögel ihr Morgenkonzert schon längst beendet haben und eine kleine „Siesta“ einlegen, tummeln sich Bienen und viele andere Insekten auf der Blumenwiese (wenn sie denn eine finden, aber das ist ein anderes Thema…). Voraussetzung: strahlender Sonnenschein! Deswegen sollten Landwirte ihre Wiesen zum Beispiel auch lieber abends oder bei bedecktem Himmel mähen. Sonst kommen viele Bienen bei der Mahd um und können uns keinen Honig mehr liefern oder – noch wichtiger – keine Pflanzen mehr bestäuben. Gegen Sonnenuntergang melden sich unsere Singvögel noch einmal zu Wort. Je tiefer die Sonne aber sinkt, desto mehr Vögel verstummen. Kurz nach Sonnenuntergang kann man meist nur noch vereinzelt eine Singdrossel hören.

Guten Abend – Gute Nacht?!
Aber von schlafender Natur kann trotzdem keine Rede sein – im Gegenteil. Mit der Dämmerung werden viele Tiere erst richtig aktiv. Den Feldhasen treibt es nun aus seiner Deckung heraus auf Nahrungssuche, und auch unser Reh können wir wieder beobachten. Die ersten Zwergfledermäuse sausen schon lautlos durch die Luft. Kurz darauf gesellt sich ein Großes Mausohr, eine andere Fledermausart dazu. Und noch andere Genossen kann man nach Sonnenuntergang antreffen: unsere heimischen Eulen, wie zum Beispiel Uhu oder Schleiereule, machen sich auf die Jagd nach Mäusen, und der Igel durchkämmt auf der Suche nach Leckerbissen den Garten. Auch Fuchs und Dachs sind nun unterwegs und hoffen auf reiche Beute. Und dann wären da noch unsere nachtaktiven Insekten: Wusstet ihr, dass bei uns 4 von 5 Schmetterlingsarten nachtaktiv ist?! 

Und dann auf einmal: Ein melodischer Gesang um Mitternacht herum! Das kann ja nur die Nachtigall sein! Sie ist der einzige Singvogel, der auch mitten in der Nacht sein Lied trällert. Allerdings nur im Frühjahr, wenn die Männchen versuchen, ein Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Danach beschränkt sich die Nachtigall wieder weitgehend auf den Morgen- und Abendgesang

24 Stunden Natur pur!
Während ich also schon längst wieder im Land der Träume weile, machen viele Tiere die Nacht zum Tag. Draußen in der Natur ist also, egal zu welcher Tageszeit, immer etwas zu erleben. Setzt euch doch einmal abends draußen in den Garten oder in einen Park, sperrt Augen und Ohren auf und notiert eure Beobachtungen. Oder steht einmal ganz besonders früh auf und geht auf die Pirsch. Es lohnt sich!

Von Frauke Lücke - 30. Juni 2010